Zahlungsaufschub für Kredite

Zahlungsaufschub für Kredite

Tausende Bankkunden können wegen der Corona-Krise ihre Kredite nicht mehr bedienen und haben eine Aussetzung der Zahlungen beantragt. Seit 1. April müssen Banken Verbrauchern, die wegen der Krise in Not geraten sind, die Zahlung von Zins, Tilgung oder Rückzahlung von Konsumenten- und Immobilienkrediten für drei Monate stunden. Im Interview gibt Herr Walter Strohmaier, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Niederbayern-Mitte Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie viele Anträge auf Aussetzung von Kreditraten sind seit Beginn der Krise bei der Sparkasse Niederbayern-Mitte eingegangen?

Walter Strohmaier: Seit Beginn der Corona-Krise gingen eine ganze Reihe von Kundenanfragen bei uns ein. Sehr oft besteht lediglich Informations- und Aufklärungsbedarf. Genaue Zahlen zu nennen ist schwierig, da wir unseren Kunden stets individuelle Lösungen präsentieren wollen, das gilt natürlich vor allem in so herausfordernden Zeiten wie der aktuellen Corona-Krise, in der wir ohne zu zögern, vom ersten Tag an im Rahmen sparkasseneigener Soforthilfen und auch ohne Inanspruchnahme staatlicher Programme, unmittelbar geholfen haben. Wir sehen es insbesondere in Krisenzeiten als unser oberstes Ziel, die heimische mittelständische Wirtschaft aktiv und konstruktiv zu begleiten.  Das machen wir in unserer Sparkasse seit Generationen.

Als Bundesobmann aller deutschen Sparkassen kann ich Ihnen mitteilen, das insgesamt bei Sparkassen in Deutschland in rund 256.000 Fällen (Stand 20.4.) Zins- und Tilgungsleistungen ausgesetzt wurden. Davon bei 118.000 Privatkunden und bei 138.000 Gewerbekunden.

Mehr als 110.000 Kunden informieren sich täglich auf den Internetseiten der Sparkassen. Der Spitzenwert lag bei 900.000 Kunden am Tag, die dieses Informationsangebot nutzten.

Die Stundung welcher Arten von Kreditraten (Baukredit, Autofinanzierung) wurden am häufigsten (Top 3) beantragt?

Walter Strohmaier: Die Situation ist hier sehr diffizil, weil wir stets individuell bei jedem Kunden vorgehen. Betroffen sind aber grundsätzlich sowohl Privat- als auch Firmenkunden. Daher stunden wir unternehmerische Investitionsdarlehen genauso wie Immobilien- oder Ratenkredite. Das hängt von der individuellen Einnahmesituation und den persönlichen Verpflichtungen des jeweiligen Kunden ab.

Wie verteilt sich der Anteil der bisherigen Anträge auf Privatkunden und Firmenkunden?

Walter Strohmaier: Deutschlandweit kommen mit einem Anteil von 55 % etwas mehr Anträge von gewerblichen Kunden. Das ist auch in unserer Region der Fall. Dieses Verhältnis kehrt sich aktuell gerade etwas um.

Mit wie vielen Antragsstellern kam keine Einigung/Lösung zustande?

Walter Strohmaier: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen alles daran für jeden Kunden und für jedes Problem eine Lösung zu finden. Auch hier ist die Herangehensweise so individuell wie die jeweiligen Problemstellungen unserer Kunden. Von Vorteil ist in einer derartigen Situation sicherlich, wenn beide Seiten im Rahmen einer langjährigen Kundenbeziehung und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit an einer gemeinsamen Problemlösung arbeiten. Aber natürlich werden wir nicht jedes Problem lösen können, das wird vor allem dann schwierig, wenn die Ursache nicht unbedingt in der Corona-Krise begründet ist.
Ich bin jedoch davon voll und ganz überzeugt, dass ein Großteil der aktuellen wirtschaftlichen Problemlösungen von den regionalen Sparkassen geschultert wird. Es bewahrheitet sich einmal mehr, was ich in meiner mittlerweile 20-jährigen Berufserfahrung an der Spitze der Sparkasse stets betone, nämlich ein gutes partnerschaftliches Verhältnis zu seiner Hausbank zu pflegen.

Wie wird sich die Zahl der Anträge (in den nächsten Wochen bzw. Monaten) entwickeln?

Walter Strohmaier: Die Corona Krise wird weitreichende negative Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und der Welt haben. Die Auswirkungen des Stillstands können heute noch nicht abgeschätzt werden. Insgesamt ist die Betroffenheit je nach Branche unterschiedlich stark. Das konkrete Ausmaß und mit welcher Anzahl an Kundenanfragen in nächster Zeit noch zu rechnen ist, hängt zunächst davon ab, wie schnell es nach dem Shutdown gelingt, wieder zu einer gewissen Normalität zurückzukehren, bzw. wie lange die wirtschaftlichen Beschränkungen andauern. Die Stundungsanfragen werden zum kommenden Monatsultimo wohl nochmal zunehmen. Ich rechne damit, dass die Kundenanfragen weiter steigen werden, weil auch die negativen wirtschaftlichen Einschläge und Auswirkungen erst noch kommen werden. Mit jedem Monat des aktuellen Zustands wird die Notwendigkeit zu Tilgungsaussetzungen größer werden.

Bezogen auf Hauseigentümer: In wie vielen Fällen droht bereits die Zwangsversteigerung und sind Kunden zum Verkauf ihrer Immobilie gezwungen?

Walter Strohmaier: Ich verwehre mich dagegen, bereits nach fünf Wochen Shutdown schon von Zwangsversteigerungen privater Wohnimmobilien zu sprechen. Das erzeugt einerseits Hysterie, die niemandem weiterhilft und vor allem haben wir mit unseren Kunden ihre Immobilienkredite so strukturiert und aufgebaut, dass eine Krise ihren Wohntraum nicht sofort zum Platzen bringt. Deshalb sind in unserer Sparkasse weder kurzfristig noch aus heutiger Sicht zum Jahresende derartige Zwangsverwertungsmaßnahmen ersichtlich.

Wie müssen die Kunden ihre Ausnahmesituation bei den Sparkassen nachweisen?

Walter Strohmaier: Als Hausbank begleiten wir viele Kunden schon seit Jahrzehnten, Unternehmen gar über mehrere Generationen. Deshalb ist vielen Beraterinnen und Beratern, auch ohne besondere Nachweise, die extreme Ausnahmesituation vieler Kunden innerhalb kürzester Zeit plausibel. In der Regel reicht dieses langjährige Vertrauensverhältnis und ein offenes und vertrauensvolles Gespräch aus. 

Bis vor Kurzem waren Kfw-Kredite für Firmen nur zu 90 Prozent durch staatliche Sicherheiten gedeckt, nun übernimmt der Staat 100% Haftungsfreistellung. Welchen Unterschied machen diese zehn Prozent bei der Kreditvergabe in der Praxis?

Walter Strohmaier: Unternehmen, Selbstständige oder Freiberufler sind durch die Corona-Krise und v.a. durch den Shutdown teilweise sehr schnell in wirtschaftliche Turbulenzen und finanzielle Engpässe geraten. Um die laufenden Kosten zu decken und die Liquiditätssituation unmittelbar zu verbessern, werden u.a. Kredite von der KfW ausgereicht, die aber über die jeweilige Bank oder Sparkasse beantragt werden müssen. Mit der vollen staatlichen Risikoübernahme werden sogenannte Schnellkredite möglich. Die Ausgestaltung für dieses Kreditprogramm ist relativ einfach. Aber seine Bedingungen und Auflagen sind streng. Dabei ist mir wichtig zu betonen, dass die Förderbanken weder für die kreditsuchenden Unternehmen noch für die Banken und Sparkassen ihre Sorgfaltspflichten außer Kraft gesetzt haben, auch wenn hier oftmals öffentlichkeitswirksam ein anderer Eindruck vermittelt wird.

Welche Kriterien überprüfen Sie, um festzustellen, ob die gestellten Anträge berechtigt sind? Wie viele Anträge erfüllen diese Kriterien nicht? Gibt es Betrugsversuche?

Walter Strohmaier: Wohlklingende Ankündigungen der Politik, suggerieren leider bei vielen Verbrauchern den Eindruck, hier werden horrende Summen mit dem Füllhorn ausgeschüttet ohne Prüfung und im Idealfall ohne Rückzahlung der Förder- und Kreditsummen, was natürlich nicht zutreffend ist. Bei den Schnellkrediten sind die Mitarbeiteranzahl des Unternehmens, seine Umsatz- und Erfolgszahlen aus dem Jahr 2019 genauso wie das bisherige Zahlungsverhalten von hoher Bedeutung. Eine zwingende Voraussetzung ist, dass das Unternehmen zuletzt nicht in wirtschaftlichen oder strukturellen Schwierigkeiten steckte. Dazu ist eine positive Bonitätsaussage einer anerkannten Auskunftei notwendig. Daher wird nicht jedes Unternehmen den staatlich gedeckten Schnellkredit erhalten. Auch hier wird leider oftmals in der Öffentlichkeit ein anderer Eindruck vermittelt. 

Welche Konditionen (Zinsen etc) gelten für die KfW-Kredite im Zusammenhang mit der Corona-Krise?

Walter Strohmaier: Jedes Unternehmen zahlt für seinen Schnellkredit den gleichen, sehr günstigen Zinssatz von derzeit 3 % p.a.. Egal wie hoch die Kreditsumme ist oder wie gut die bisherige Bonität eines Unternehmens ist. Damit bleibt jeder objektiv vorhandene Unterschied unberücksichtigt. Diese völlige Gleichbehandlung ohne jegliche Berücksichtigung individueller Risiken ist grundsätzlich der falsche Ansatz.

Wie viele Corona-bezogene Förderkreditanträge sind bei Ihnen eingegangen? Wie hat sich die Nachfrage nach Förderkrediten in Vergleich mit der Zeit vor der Corona-Krise entwickelt?

Walter Strohmaier: Seitdem die politischen Mandatsträger die Kreditprogramme angekündigt haben, stehen die Telefone unserer Firmenkundenberater nicht mehr still. Nicht jedem Kunden war klar, dass ihn eine staatliche Mithaftung nicht von einer Kreditrückzahlung befreit. Wir haben hier erst einmal grundlegende Aufklärungsarbeit über die Programminhalte und Richtlinien leisten müssen. Seit die KfW ihren Schnellkredit angekündigt hat, steigen die Kundenanfragen zusätzlich kontinuierlich an.

Auf welche Höhe belaufen sich die bisher im Bereich der Sparkasse Niederbayern-Mitte bewilligten KfW-Kredite?

Walter Strohmaier: Als Bundesobmann kann ich Ihnen sagen, dass von der Sparkassen-Finanzgruppe in Deutschland insgesamt (Stand 20.04.2020) 7378 Kreditanträge für Kunden bei der KfW gestellt wurden. Grundsätzlich benötigen wir in der Sparkasse bei jedem Kunden durchschnittlich mindestens drei Gespräche, um final mit ihm seinen individuell passenden Kreditantrag stellen zu können. Außerdem sind bei der KfW Anträge auf Schnellkredite erst seit dem heutigen 22.4.2020 möglich! Die bayerische LfA arbeitet aktuell noch an der Einführung eines Schnellkredits für Unternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitern.

Wie lange dauert die Bearbeitung der Anträge derzeit? (Von der Antragsstellung bis zur Überweisung des Geldes)

Walter Strohmaier: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sparkasse leisten in dieser Zeit Großartiges, um den Geschäftsbetrieb für unsere Kunden aufrecht zu erhalten und vor allem in Kreditfragen Lösungen zu finden. Die Überlegungen und Planungen zu Samstags- und Schichtarbeit laufen ebenso, wie Rückholaktionen von Rentnern und Müttern, um die zahlreichen Kreditanträge zügig abarbeiten zu können. Insofern hat mich auch die neuerliche Bankenschelte namhafter Spitzenpolitiker in jüngster Vergangenheit sehr geärgert.

Sobald ein Unternehmer seine wenigen, aber für das Kreditprogramm zwingend notwendigen Unterlagen vollständig vorlegen kann und diese mit unserem Firmenkundenberater besprochen hat, werden wir grundsätzlich für den Staat in Vorleistung gehen und unseren Kunden vorab finanziell unterstützten.

 

 

 

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