Weihnachtstalerbrücken in Stadt und Landkreis Straubing – Bogen

Vorweihnachtliche Betrachtung

Die Bogener Eisenbahnbrücke

„Um 12 Uhr  fuhr der aus funkelnagelneuen Wagen bestehende Zug mit bekränzter Lokomotive zum Straubinger Bahnhof  hinaus. Das aus den beiden städtischen Collegien gebildete Festkomité hatte zahlreiche Einladungen an die kgl. Behörden, die Geistlichkeit, das Offizierscorps, die Herren Ärzte und sonstige im öffentlichen Leben stehenden Persönlichkeiten ergehen lassen, und war von dieser Einladung ausgiebig Gebrauch gemacht worden. Die den Zug begleitende Musikkapelle intoniert einen flotten Marsch, und unter den jubelnden Hochrufen der längs der Perrons aufgestellten Schuljugendund der recht zahlreich erschienenen Bevölkerung Bogens fährt der Zug in die Station ein.“ (SR Tgbl.10.12.1895)

574 Meter lang über das Schwemmland bei Sand, bei Stromkilometer 2311,27, im Flussbett drei Pfeiler, zwei weitere im Nebenarm der Donau, der Rest der Pfeiler auf festem Boden, im Anschluss an zwei Vorlandbrücken, eine Stahlgitterbrücke mit drei Bögen und, und, und… In der Mitte über den Fluss in 5 Meter Höhe über den schiffbar höchsten Wasserstand eine Brücke mit 60 Meter Weite.

Maße von 1895, übrigens im Wesentlichen auch heute noch zutreffend, beschreiben die Bogener Eisenbahnbrücke in vollkommen unzulässiger Weise, betrachtet man ihre historische Bedeutung für Straubing und den bayerischen Vorwald.  Nicht umsonst richtete der Straubinger Magistrat bereits 1884 unter Bürgermeister Harlander auf Grund einer Versammlung aller Eisenbahninteressierten in St. Englmar ein Gesuch an die bayerische Regierung in München für die Erlaubnis der Errichtung einer Eisenbahnstrecke von Straubing nach Viechtach über Bogen Perasdorf, St. Englmar und einem Tunnel um die Höhe bei Markbuchen zu bewältigen. Mit ein Grund des großen Interesses Straubing an einer Eisenbahnlinie zur Erschließung des Straubinger Hinterlandes mag sicherlich auch Straubings schwächelnde Wirtschaftsentwicklung  gewesen sein. Bürgermeister Kolb hatte bereits 30 Jahre vorher, 1860 die Straubinger Wirtschaft als rückständig, weil nur auf landwirtschaftliche Produktion und kleinen Handwerksbetrieben ausgerichtet, beklagt. Die Erschließung des Hinterlandes war für Straubing auch auf Grund der wachsenden Wirtschaft im Gebiet des Landkreises Bogen von besonderer Bedeutung. Durch den Wegfall der starren Handwerkerordnung und der neu geschaffenen Gewerbefreiheit etablierte sich industrielle Arbeitsweise, ermöglichte ein Anwachsen der Gewerbepalette von der Tonwarenfabrikation, Ziegeleien und Zementfabrikation in den Randgebieten, bis zur Essigfabrikation, Likörfabrikation, Wagnerbau bzw. Maschinenfabrik, Bürstenfabrik etc. Eine intakte Infrastruktur war damals wie heute enorm wichtig. Die Eisenbahnlinie in den bayerischen Vorwald entscheidend. Die Eisenbahnlinie über St. Englmar wurde verworfen, da nicht zuletzt die Anrainergemeinden wie Schwarzach die Kosten, die sie hierzu beizusteuern hätten, zu groß erschienen. Überhaupt war die Grundstücksfrage ein nicht zu unterschätzender Verhandlungsfaktor für die Gemeinden. Dazu kam, dass  möglichst viele Orte an die Eisenbahnlinie Anschluss finden sollten, Bahnhöfe waren gefragt (vgl. Mitterfels Verhandlungen hierzu: Schlieper,H.2021,S.281 ff.).

Nicht überall gab es Förderer,

wie Graf Otto von Brey-Steinburg, der seine Grundstücke der Eisenbahngesellschaft kostenlos übergab. Letztendlich übernahm die Stadt Straubing die Grundstücksvorfinanzierungen, die Eisenbahnlinie fand ihren Weg, wie wir ihn heute noch kennen, von Straubing, Ittling, Sand, Bogen usw. bis zunächst nach Konzell (beschlossen am 26.Mai 1892) und später nach Miltach mit Anschluss an die  Cham-Kötzting-Viechtach-Gotteszell-Deggendorf Strecke.  Alles nur möglich, weil rechtzeitig 1894/95 der Bau der insgesamt  547 m langen Eisenbahnbrücke begann. Die Brücke musste schließlich das gesamte Schwemmland überbrücken, ein mächtiges Holzgerüst diente dazu, die Steinpfeiler per Flaschenzug hochzuziehen, die Mit Kähnen angefahren wurden, mit „…Seilwinden hochgeschafft, um dann eingemauert zu werden.(Erwert, H. 2000,S.45 ) Am Sonntag, den 8. Dezember fand die feierliche Eröffnung mit einem Sonderzug statt, nachzulesen im Straubinger Tagblatt vom 10.12.1895.( Schlieper,H. 2021,S.286)

Und was die Eisenbahn alles schaffte:

Allerlei Warenverkehr, Holztransporte, (1903 eine „… 32 m lange kerzengerad gewachsene  Tanne als Schiffsmast von Steinburg zur Nordseeküste …“ (Schlieper,H. 2021,S.295) und landwirtschaftliche Vorwaldprodukte für die Straubinger Märkte. An den Markttagen war der Bahnhof Straubings (Schlieper,H. 2021,S.294) vollkommen überlastet, der Zugverkehr bescherte dem Straubinger „Kreis- und Landwirtschaftsfest“, heute Gäubodenvolksfest 1898 bereits 25000 Besucher bei einer Stadtbevölkerung von gerade mal 17000 Einwohner.

Eisenbahnbrücke wird gesprengt

Etwa ein halbes Jahrhundert später: Die Bogener Eisenbahnbrücke wird gesprengt, die Nazischergen bereiten sich auf den Endkampf vor, die Bevölkerung leidet und erholt sich erst nach Jahren größter Entbehrung und nutzt die wieder aufgebaute Brücke mit wenig baulich bedingten Unterbrechungen bis heute, allerdings nur noch bis Bogen.

Die Straubinger Schlossbrücke

In vielen Schriften zum Ende des zweiten Weltkriegs wird die bedingungslose Kapitulation vom 8.Mai 1945 als „Stunde Null“ bezeichnet. Heute spräche man vielleicht  von Zeitenwende. Aber erlaubt dies der Begriff „Stunde Null“ überhaupt? „Stunde Null“ hieße ja eigentlich genau genommen, vorher war nichts und damit folgrichtig, „Stunde Null“, wir beginnen neu und tun so als wäre nichts gewesen. Das Wahrzeichen der Stadt Straubing. so bezeichnet zumindest der Straubinger Goldschmiedemeister Leser das Bauwerk und kreiert einen „Wirbelwind“ Anhänger erzählt wenig von einer Zeitenwende. Die „innere Brücke“, wie sie in Abgrenzung zur Agnes Bernauer Brücke auch genannt wurde, erzählt wenig von Dingen, die nur gewendet werden müssten, vielmehr gleicht ihr Schicksal einem Bruch, einem Zeitenbruch, weil alles gebrochen schien, Gutes wie Böses.

“ Die zwei Donaubrücken in Straubing und die Eisenbahnbrücke in Bogen müssen beschleunigt und mit allem Nachdruck zur Sprengung vorbereitet, d.h. geladen werden“,  lautet der Befehl des „Schutzkommandeurs Straubings “ Oberstleutnant Bischoff. Der „Nero-Befehl“ Hitlers, dem Feind nur verbrannte Erde zu übergeben, verantwortete die Wahnsinnstat der Straubinger Nazischergen. „Auch Straubing muss seinen Teil zum Siege beitragen“, irrsinnt die Nazi-Leitung noch am 25. April 1945. Einen Tag später, um 6 Uhr morgens ist es dann soweit. Die „grazile eiserne Bogenbrücke“, wie Vicari sie in seinen Erinnerungen liebevoll nennt, wird gesprengt. Dabei war die einstmals 1855 geschaffene Holzfachwerkbrücke ein Schmuckstück, wenn auch enorm teuer im Unterhalt und zugleich wegen ihrer mächtigen Stütze in der Flussmitte ein Hindernis für die Schifffahrt. Für die sog. Kettenschifffahrt war sie gänzlich unbrauchbar. Die Flußkurve der Donau auf Höhe des Straubinger Schlosses war gefürchtet in der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. Eine Eisenbrücke  sollte Abhilfe schaffen. 1894 bewilligt der bayerische Landtag die Mittel zum Bau einer neuen Brücke, die alte Holzbrücke wird verschoben, etwas Donau abwärts und Notbrücke für die Dauer der Bauzeit. „Akkordmäßige Ausführung“ wird gefordert, schnell soll es gehen, das spare Kosten und schaffe Abhilfe für den gebeutelten Schiffsverkehr. Am 18. Dezember  1896 ist es so weit, Fertigstellung, nachdem man Tage zuvor Brückenprobebelastungen durchführte. Unter Geschützdonner fuhren geschmückte Pferdefuhrwerke mit je 400 Zentnern Last über die Brücke. Halb Straubing war auf den Beinen und sah sich das Spektakel an. Und schimpfte:  Eine kirchliche Weihe gab es nicht.

Damalige Brücke ähnelt der heutigen Schlossbrücke

Die damals erbaute Brücke ähnelt in ihrem Aussehen der heutigen Schlossbrücke. Sie überspannt die Donau „in einem Zug“, ohne Pfeiler, wie es hieß. Nicht umsonst war sie Ausstellungsbeitrag auf der Weltausstellung 1900 in Paris. Allerdings dauerte es nicht lange und die Bauernschaft mäkelte. Die alte Brücke hätte es doch noch getan, schade sei es um das Geld für die neue Brücke, einzig die k. und k. Donaudampfschifffahrtsgesellschaft aus Wien habe ihren Nutzen davon, weil ihre Schiffe noch mehr Getreide ins Land bringen könnten. Es war die Zeit des Bauernbundes des streitbaren Landtagsabgeordneten Franz Wieland aus Hierlbach, der nach Aufhebung der Einfuhrsperre die Nahrungsmittelimporte verfluchte, weil sie den Preis für die eigenen Produkte gefährdeten. Das Pariser Weltausstellungsstück aus Straubing , dieses „gestalterisch und konstruktiv“ herausragende Straubinger Bauwerk fand  mit den Nazis ihr jähes Ende. „Arbeiten und nicht verzweifeln“ war die Parole des notwendigen Wiederaufbaus und schon bald hieß es in der lokalen und regionalen Presse: „Straubing hat ein neues Wahrzeichen!“ Dieses Mal wurde aber gefeiert, kirchlich versteht sich. So kam zur Einweihung der neuen und heute in ihrem Aussehen noch ähnlichen Schlossbrücke Dr. Michael Buchberger, Bischof von Regensburg und verlieh unter vielen Jubelrufen dem neu geschaffenem Wahrzeichen Straubings den kirchlichen Segen.

„Ein Tor zum Bayerischen  Wald ist wieder offen!“,

titelten die Zeitungen und vergessen waren die großen Anstrengungen zur Beschaffung der notwendigen Geldmittel, wo doch noch kurz vor Bauabschluss Hunderttausende von Reichsmark in einer Nacht „ins Nichts zerronnen“ sind, wie Straubings Oberbürgermeister Dr. Höchtl anmerkte. War doch alles bestens gelaufen, so konnte man sich nicht auf einen offiziellen Namen für die Brücke einigen. Der Straubinger Stadtrat debattierte, „innere Brücke“ oder „Schlossbrücke“ , Brücke über die neue Donau, die ja eigentlich die alte ist und die alte Donau mit der äußeren Brücke, die ja eigentlich jetzt die neue ist. 1976, immerhin gute dreißig Jahre dauert es, bis die Bezeichnungen klar sind: Schlossbrücke für die innere und Agnes Bernauer für die äußere Donaubrücke. Kaum hatte man sich auf die Namen geeinigt, ging das Brückengezeter von Neuem los. “ Auf Grund der vorgefundenen Schäden…“ – Sanierungsmaßnahmen waren unausweichlich. Wanddickenmessungen erschreckten und nach langem Hin und  Her flicken an der maroden Brücke entschloss man sich zur Generalsanierung, also  Sanierung von Grund auf. Wie schon einmal, eine neue Notbrücke musste her und wurde zum gefragten Rentnertreff, weil österreichische, ungarische und rumänische Arbeiter gleich Artisten ans Werk gingen. Noch ein Jahr und es ist dreißig Jahre her, dass die Stadt Straubing am 5. August 1994 wieder zur Einweihung rief. Dieses Mal oblag es Straubings Oberbürgermeister Fritz Geisperger zur kirchlichen Weihe der umgebauten Schlossbrücke einzuladen.

Staatssekretär Sauter zu Besuch

Ein Bischof kam nicht, dafür waren die Vertreter der bayerischen Staatsregierung da, allen voran  Staatssekretär Alfred Sauter. Im Anschluss an die Weihe gab es eine Donaurundfahrt mit „Johanna“, einem Fahrgastschiff und wieder gefeiert, offensichtlich damals bereits „intensiv nachhaltig“. Denn die Brücke ist und bleibt Straubings Wahrzeichen und für die „eantahoib der Doana“ ein schmuckes Tor zum Bayerischen Wald.

 

 

Literatur:

Schlieper,Hans: Die bayerische Gäubodenbahn, in: Jahresbericht 122/2020 des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung, S.249 bis 342)

Erwert, Helmut: Niederbayerische Erfolgsgeschichten, Attenkofer, 2000S. 43 ff

Bach Wolfgang, Vicari Hans: Straubinger Donaubrücken, Attenkofer, 1994

Werner Schäfer, Guido Scharrer,Hermann Stickroth: Geschichte einer Stadt, Bertsch, 1985

 

Straubing, den 22.11.2023, Johannes Müller, Kreisheimatpfleger Altlandkreis Straubing

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert