Gold ist kein Allheilmittel
Der Goldpreis hat einen neuen Rekordwert erreicht. Im Interview die Deka-Volkswirtin und Rohstoffexpertin Dr. Gabriele Widmann zur Bedeutung von Gold als Anlageklasse.
Der Goldpreis hat seinen fast neun Jahre lang gehaltenen Rekord gebrochen. Der Preis für eine Feinunze Gold stieg in der Nacht auf Montag bis auf 1944,71 US-Dollar und übertraf damit das Intraday-Kurshoch von gut 1921 US-Dollar im September 2011. Gold gewinnt erfahrungsgemäß in Zeiten sinkender Zinsen an Attraktivität. Denn dann fällt die Tatsache nicht mehr so stark ins Gewicht, dass Gold keine Erträge abwirft. Dieses Argument gilt in Zeiten negativer Zinsen umso stärker. Wenn die Gefahr steigt, dass sogar für Guthaben auf dem Girokonto Strafzins bezahlt werden muss, kaufen die Menschen verstärkt Gold.
Ein weiteres starkes Argument für die scharenweise zum Gold strömenden Anleger ist die Angst vor den negativen Folgen der coronabedingt steigenden Staatsschulden. Es grassiert die Angst vor einer daraus resultierenden starken Inflation. In dieser Situation erscheint Gold vielen als der sichere Hafen. Zwar rechnen wir nicht mit einer starken Zunahme der Inflation, doch angesichts der Aussicht auf eine noch für sehr lange Zeit anhaltende Phase extrem niedriger Zinsen ist der Goldpreis auch mittelfristig gut unterstützt. Kurzfristig könnte es allerdings nach den jüngsten kräftigen Anstiegen durchaus zu einer Korrektur beim Goldpreis kommen. Grundsätzlich raten wir, das Anlagevermögen breit auf alle Anlageklassen zu streuen. Der Anteil von Gold bzw. Rohstoffen am Gesamtvermögen kann dabei im mittleren einstelligen Prozentbereich liegen.
Macht es beim jetzigen Rekordhoch Sinn, sein Geld in Gold anzulegen?
Aktuell ist in der Tat das Risiko groß, dass der Goldpreis auch wieder fällt. Er wird an Märkten gehandelt. Gerade große Finanzanleger beeinflussen ihn über umfangreiche Käufe bzw. Verkäufe physisch hinterlegter Goldfonds. D. h. der Goldpreis schwankt durchaus kräftig. Man muss also jederzeit mit Verlusten rechnen, die unter Umständen für lange Zeit nicht wieder aufgeholt werden. Wer seine Goldmünzen und Barren zuhause lagert, trägt zudem das Risiko eines Diebstahls.
Kommt Gold als Krisen- und Inflationsschutz in Frage?
In US-Dollar gerechnet hat Gold seit Anfang des 20. Jahrhunderts, also in den vergangenen knapp 120 Jahren, pro Jahr im Durchschnitt knapp vier Prozent an Wert gewonnen. Damit dürfte die Inflation in diesem Zeitraum in etwa ausgeglichen worden sein. Ob man allerdings in den aktuellen Zeiten, in denen es kaum Inflation gibt und alles für weiterhin niedrige Inflationsraten spricht, überhaupt einen Inflationsschutz braucht, sei mal dahingestellt. Beim Krisenschutz ist die Analyse deutlich schwieriger. Nicht in allen Krisenphasen ist der Goldpreis gestiegen. Man denke nur an die Anfangszeit der globalen Finanzkrise im Herbst 2008 oder an die Spätphase der europäischen Staatsschuldenkrise. In diesen Zeiten ist der Goldpreis sogar gesunken.
Welche Rolle sollte Gold bei der Geldanlage spielen?
Da der Goldpreis oft einen anderen Verlauf nimmt als die Kurse von Aktien oder Anleihen, kann die Goldinvestition die Gesamtschwankungen des Portfolios verringern. Es ist also ein Element der Diversifikation. Ich persönlich halte einen Anteil von etwa 5 bis maximal 10 Prozent für sinnvoll. Gold ist kein Allheilmittel, und volkswirtschaftlich betrachtet schafft Gold keinerlei Nutzen. Wenn ich Gold kaufe, schaffe ich damit keine Arbeitsplätze, keine Produktionsmöglichkeiten, ich leihe keinem Investor Geld, der damit Schulen und Straßen baut oder neuen Wohnraum schafft. Insofern fühle ich mich sehr wohl mit meinem breit gestreuten Portfolio, in dem ein hoher Aktienanteil und nur ein winziger Goldanteil enthalten ist.
Schreibe einen Kommentar