Straubinger Tagblatt: Schwarzer Peter: Politik für ganz Große

Quelle: Straubinger Tagblatt, Samstag 28. Mai 2016 von Wolfgang Engel

Die Sparkasse erhöht die Gebühren, viele Kunden sind sauer, aber nicht unbedingt auf die Richtigen

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Die beliebteste deutsche Bank? Das ist die Sparkasse. Jeder dritte Deutsche findet sie gut, sagt eine neue Forsa-Umfrage. Auf Platz zwei: Volksbank mit elf Prozent, dann Raiffeisen, Sparda und Post mit je drei Prozent, und dann ING DiBa, das ist die von Dirk Nowitzki: ein Prozent, das reicht für Platz sechs. Aber haben Sie schon gehört? Die Sparkasse Niederbayern-Mitte erhöht. Zum 1. Juli wird alles teurer. Das trifft den bislang geneigten Kunden. „Ein Hammer“, sagt ein Mitglied meiner Familie, „die Sparkasse, die langt jetzt richtig hin.“ Für Rentner und Geringverdiener ist das hart. Sie spüren das stark. „It’s the economy, stupid“, der alte Bill-Clinton-Slogan stimmt einfach mehr denn je. Das starpac-plus-Paket wird auch teurer. Ich kenne jemand, die ist deshalb jetzt weg, zur ING DiBa, die es in Straubing gar nicht gibt, aber das macht nix: Online-Banking, und abheben kann man gebührenfrei an jedem Automaten mit Visa-Zeichen, das sind meistens Sparkassen-Automaten, weil die das größte Netz hat. Und Vereine, schreibt ein Mann ans Tagblatt, zahlen statt 75 Cent Grundgebühr monatlich jetzt 2,50 Euro: ein Anstieg von jährlich neun Euro auf 30 Euro. Grad für kleine Vereine mit nur ein oder zwei Dutzend Buchungen jährlich ist das viel Geld. „Und das dafür“, schreibt der Mann, „dass die Bank uns Konten zur Verfügung stellt, mit denen sie nicht die geringste Arbeit hat“, denn auch die Vereine machen ja Online-Banking. „Ich für meinen Teil“, schreibt der Mann, „habe mich im Internet schlau gemacht und eine kostenlose Alternative gefunden. Die Sparkasse Niederbayern- Mitte wird in nächster Zeit drei Vereine verlieren, trotz des damit verbundenen Aufwands.“ Ist also die Sparkasse ein Schurke? Oder, sprachpolitisch korrekt, eine Schurkin?

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Warum Jogi Löw wirklich toll ist
Sie kennen den neuen Commerzbank-Spot: Jogi Löw und die Seinen joggen durch  Münchens Englischen Garten hin zur Commerzbank, und Jogi sagt Sätze wie diesen: „Je mehr du erreichst, desto mehr erwarten die Menschen von dir.“ Das klingt echt tief und bedeutend, aber Jogi Löw setzt sogar noch einen drauf: „Aber für uns“, sagt Jogi Löw, „ist
das ein starker Antrieb.“ Und dann sagt aus dem Off die Commerzbank persönlich: „Für  uns auch. Deshalb gibt es das kostenlose Girokonto jetzt mit 100 Euro Startguthaben.“ Ist das nicht supertoll? Der Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon sagt: „Die Zeit der
kostenlosen Girokonten ist vorbei.“ Viele andere Banken haben schon erhöht, die   Postbank arbeitet dran. Aber die Commerzbank wirbt mit Girokonto kostenlos und verschenkt 100 Euro dazu. Das ist doch interessant. Nicht nur, weil die Commerzbank seit einiger Zeit stark um Privatkunden wirbt, 6000 Neukunden pro Woche angeblich, und alle bekommen das Girokonto kostenlos und 100 geschenkte Euro. Interessant ist das   deswegen, weil die Commerzbank eine der Banken ist, die voll dabei waren im  Griechenland-Desaster, und die Sparkassen nicht. Sparkassen haben sich nicht vom Staat retten lassen müssen. Sie haben auch keine Bad Bank gründen müssen. Die Commerzbank schon. Die hat übrigens erst vor drei Wochen wieder Schlagzeilen gemacht: „Commerzbank in dubiose Aktiengeschäfte verwickelt“, hieß es bei der Süddeutschen, „Commerzbank prellt Steuerzahler“ bei n-tv und „Staatsanwaltschaft ermittelt gegen
Commerzbank“ bei der Zeit. Die C-Aktie? Seit Jahren im Keller. Und diese Bank kann also kostenlos Girokonten anbieten. Und sie kann 100 Euro verschenken. Und die Sparkasse nicht. Kann es eigentlich sein, dass da ein Zusammenhang ist?

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Kollabiert das seriöse Bankgeschäft jetzt?
Bei Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken war das Geschäftsmodell immer so: Der Kunde bringt Geld, die Bank verleiht es gegen Zinsen weiter. Einen Teil dieser Zinsen kriegt der Kunde, der andere Teil gehört der Bank: klassisches, seriöses Bankgeschäft. Und Geld, das die Bank aktuell nicht verleihen konnte, hat sie bei der Zentralbank geparkt und dafür von ihr Zinsen bekommen. Inzwischen ist das anders. Jetzt bekommen Banken kein Geld mehr dafür, wenn sie bei der Zentralbank Geld parken. Jetzt müssen sie Strafzinsen zahlen. Den Banken bricht das Zinsertragsgeschäft damit weg, und zwar allen. Das trifft aber nicht alle gleich hart. Hart trifft es vor allem die, für die das Zinsgeschäft Hauptgeschäft war: die regionalen Banken. Für Großbanken ist dieses Geschäft schon lang nicht mehr so wichtig. Klassisches, seriöses Bankgeschäft ist für sie ein Modell von vorgestern. Großbanken machen viel mehr Investmentbanking und Fonds- und Aktiengeschäfte und Derivatehandel, also Zockergeschichten und Provisionsgeschäfte. Sie verkaufen Wertanlagen in Panama – „nur die Sparkassen nicht“, sagt der  Investigativjournalist Georg Mascolo – und andere Finanzprodukte, die angeblich sicher und steuersparend sind. Großbanken haben jahrelang einen Haufen gefährlicher Produkte auf den Markt geworfen. Und sie haben marode Staaten finanziert, bis dann Markt und Staaten und sie selber kaputt und am Abgrund waren. Das hat zur Null-Zins-Politik geführt. Die trifft jetzt genau die Banken, die mit dem ganzen gefährlichen Zeug wenig bis gar nichts zu tun hatten. Und die Großbanken sind nach wie vor mit Provisions und Zockergeschichten unterwegs und machen Schlagzeilen mit Prozessen und Staatsanwalt und werben mit „kostenlos“.

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Verursacher-Prinzip? Nicht systemrelevant
Es ist nicht so, dass Sparkassen Engel sind. Die bayerischen Sparkassen halten 25 Prozent an der Landesbank, die das Hypo-Alpe-Adria-Desaster hingelegt hat. Manchmal versenkt auch eine Sparkasse Millionen in schlechten Geschäften, und es gibt einige Leute, die  sagen: die Qualität ihrer Beratung schätzen Sparkassen höher ein, als sie wirklich ist. Aber es ist auch so: Das Gros ihres Geschäfts war immer die Realwirtschaft. Regionale Banken haben bisher zu 75 oder 80 Prozent vom Zinsertrag gelebt. Bei Großbanken ist das nicht so. Für die Großbanken, die Systemrelevanten, ist das Provisionsgeschäft wichtig, und das Investmentbank-Zocken. Die Finanzkrise kam nicht, weil ein paar regionale Banken giftige Papiere hatten. Die Finanzkrise kam, weil die Systemrelevanten von der Politik entfesselt wurden und im ganz großen Stil zockten. Und weil die Systemrelevanten auch jetzt munter weiterzocken, trifft es sie viel weniger, wenn das Geschäft mit dem Zinsertrag jetzt nicht mehr läuft. Verursacher-Prinzip? Nicht in diesem System. Die Verursacher  können ungestört weiter zocken, und das tun sie auch. Das Geschäft mit virtuellem Geld und Produkten ist heute stärker denn je. Die systemrelevanten Banken wissen jetzt, dass sie die Stärkeren sind, und dass sie die Staaten im Schwitzkasten haben. Obwohl doch die Politik so fest entschlossen war, diese deregulierten Monster wieder an die Kette zu legen und zu regulieren. Wie sieht die Regulation aus? Ein bisserl Kosmetik, ein bisserl höhere Eigenkapital-Quoten; und ein Haufen Beratungsprotokolle, die der Kunde unterschreiben muss und die alle gleich nichtssagend formelhaft sind; und dann noch diese komplett überflüssigen Kundenmitteilungen.

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Die EU reguliert: Leider nur für die Katz
Wenn aus dem Konto-Auszugsdrucker wieder massenhaft Blätter quellen, dann weiß der Kunde: Aha, die EU reguliert. Dann informiert die Bank, dass sie „gesetzlich verpflichtet“
ist, zu informieren und „diesen Informationsbogen zur Verfügung zu stellen“. Und beide, Bank und Kunde, wissen genau, dass kein Kunde diese Informationen jemals durchlesen wird, nie. Niemand liest freiwillig Informationen wie diese: „In Nr. 13 Abs. 2 wird anstelle des bisherigen Satz 5 mit neuem Satz 5 und 6 der derzeit für Verbraucherdarlehen
bestehende Anspruch der Bank auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten für Verträge ab dem 12. März 2016 auf Allgemein-Verbraucherdarlehen beschränkt.“ Es folgen noch viele solcher Sätze. Alle sind für die Katz. Aber das ist das, was die EU „Verbraucherschutz“ nennt: ein kompletter Witz, aber kein lustiger. All diese Informationen bereit zu stellen und auszudrucken, ist nur bürokratischer Aufwand, sonst  nichts. Gerade den regionalen Banken zwingt die EU so vollkommen sinnfreie Bürokratiekosten auf. Es gibt in der EU rund 120 systemrelevante Banken. Diese 120 halten 85 Prozent der Banken-Bilanzsumme in der EU. Und es gibt rund 3500 nicht systemrelevante Banken, die also im Grunde unwichtig sind. Die halten die restlichen 15 Prozent. Das zeigt, wer in der EU den Markt beherrscht. In Deutschland gibt es nur 20 systemrelevante Banken; sie halten 50 Prozent der deutschen Bilanzsumme, beherrschen also nur 50 Prozent. Die anderen 50 Prozent gehören rund 1700 unwichtigen deutschen
Banken. Deren Geschäft wird durch die EZB-Nullzins-Politik zerstört. Wer bleibt dann übrig? Bingo: Politik für ganz Große.

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Werden Systemrelevante am Ende jubeln?
Die EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger hat den kleineren deutschen Banken kürzlich geraten, sie sollten ihre Geschäftsmodelle überprüfen, „auch in Kleinigkeiten, und lieber früher als später“. Und sie hat geraten, „neue Ertragsquellen“ zu suchen. Ein etwas zynischer Rat: Was könnte das sein? Investmentbanking? Derivatehandel? Zocken? Die EZB will den Ausbau des Provisionsgeschäfts. Das wird bedeuten: Berater müssen dann mehr als bisher Versicherungen und Geldanlagen an den Kunden bringen. Einerseits ist das gut. Die Nullzins-Politik führt nämlich auch dazu, dass vor allem Kleinsparer „Sparen bringt nix“ sagen und ihr Geld lieber ausgeben und Konsum ankurbeln. Aber jeder Ankurbel-Euro wird in der Altersvorsorge fehlen, und das wird sich bitter rächen. Deshalb wäre gut, wenn Bankberater das Vorsorge-Geschäft ankurbeln würden. Aber andererseits wird es für alle Berater von ihren Vorständen Vorgaben geben, Planziele, Druck: Sie werden verkaufen müssen auf Teufel komm raus, ob du’s brauchst oder nicht.
Gut?

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Die Sparkasse Regensburg schließt jetzt 17 Standorte: Kosten senken wegen Nullzins. Die Sparkasse Niederbayern-Mitte hat noch 50 Standorte mit Arbeits- und   Ausbildungsplätzen. Commerzbank? Genau eine Geschäftsstelle. Regionale Banken machen Sponsoring im Paul-Theater, Freiwilligenzentrum, Tierpark, Tigers. Systemrelevante? Die sponsern nur Jogi. Es ist im Grunde einfach: Die Systemrelevanten zwingen Politik, Regionalbanken und Kunden seit 2008 zum Schwarzen Peter. Damals war der Schwarze Peter bei den Systemrelevanten, und sie wollten ihn loswerden: Erst an die Politik. Jetzt an die Regionalbanken. Am Ende wird ihn der Kunde haben. Und wenn der Kunde die Regionalen verlässt, jubeln die Systemrelevanten und machen ein Fass auf, das nächste.

An dieser Stelle nochmal herzlichen Dank an das Straubinger Tagblatt, die uns diesen Artikel zur Verfügung stellt:

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